30.08.2024 Berliner Zeitung
Von Paul Linke
AfD und die Kultur: „Das wird, wenn wir die Regierung bilden, vorbei sein“
Die Banda Comunale ermutigt migrantische Kinder. Das sind linke Extremisten, sagt die AfD und stellt das Fördersystem infrage. Über den Kulturkampf in Sachsen.
Wie ein schmelzender Schokogoldtaler klebt die Sonne am Himmel über Sachsen. Noch sechs Tage bis zur Wahl, und noch haben sie hier gute Laune. Die Brassband Banda Comunale aus Dresden ist jetzt auch bereit. Percussion, Klarinette, Tuba bis Trompete, im Licht glänzende Blasrohre für mehr Toleranz – oder sind diese Instrumente tatsächlich Waffen linker Extremisten? Als der letzte Redebeitrag gesprochen ist, kann sich die Demo in Bewegung setzen.
Das Motto „Alle zusammen gegen den Faschismus“ hängt gleich als trotziger Tinnitus im Ohr. „Für Vielfalt und Menschenrechte“, steht auf einem Banner. „Keine Stimme für die AfD“ auf einem anderen. Ein paar Hundert Menschen sind gekommen. Eltern, Kinder, Punks, „Omas und Opas gegen rechts“, Seifenblasen steigen auf. Das bunte Chemnitz vor dem bronzefarbenen Karl-Marx-Kopf.
Thomas Kirste kennt diese Bilder, sie gefallen ihm nicht. Das sind nicht seine Wähler, die sich hier gegenseitig Mut zusprechen auf der Straße, sich wie eine Mehrheit fühlen, aber eine Minderheit sind in Sachsen. Besonders streng im Blick hat Kirste die Banda Comunale, die den Demonstrationszug anführt. In den Posts der mehrmals für ihr zivilgesellschaftliches Engagement ausgezeichneten Band sucht er nach Indizien und Beweisen, er sammelt Screenshots.
Kirste ist kulturpolitischer Sprecher der AfD im Sächsischen Landtag, und die Musiker, die aus Syrien, Palästina, Italien, Israel, Russland, Polen, Katalonien, dem Irak oder aus Deutschland stammen, hält er für linksextrem. Kirste versteht nicht, warum sie „Stimmung machen“ dürfen gegen die Opposition, gegen seine Partei. Auf Demos wie in Chemnitz, vor allem aber in Schulen, wo die Banda Comunale vom Ausländerrat Dresden geförderte Workshops anbietet.
„Politische Bildung an Schulen“ nennt es der Ausländerrat
Gemeinsam mit den Kindern singen sie hebräische, arabische oder russische Lieder, sie tanzen wie auf einer irakischen Hochzeit, dann bauen sie Instrumente oder probieren Beats aus. Und sie sprechen über Fluchterfahrungen. „Wir sind ein Querschnitt der Gesellschaft. Wir machen die Kinder mit dem Fremden, dem Anderen vertraut“, sagt der Bandsprecher Michał Tomaszewski am Telefon. Wäre Politik ein Thema in den Workshops, betont er, würde der Freistaat Sachsen ihnen kein Geld zukommen lassen.
Die Frage ist, wie man das in der Praxis kontrolliert. Ob man das überhaupt will. Und eine mögliche Antwort ist, dass die Banda Comunale immer mehr Anfragen aus sächsischen Schulen bekommt.
Die Musiker wollen ja nicht nur migrantische Kinder ermutigen, sondern für alle ein Vorbild sein. „Sachsen positiv besetzen“, nennen sie das. „Politische Bildung an Schulen“, nennt es der Ausländerrat, es werde „aufgeklärt, nicht beeinflusst“. Kirste vermutet: „Agitation“. Er sagt: „Die Band bekommt Geld, weil sie sich politisch korrekt aus Flüchtigen und Linken zusammengefunden hat.“ Und: „Unsere Gesellschaft darf nicht zulassen, dass Schüler politisch beeinflusst werden.“ Er verspricht: „Das wird, wenn wir die Regierung hier bilden, vorbei sein.“
weiterlesen...